Andacht zur Adventszeit

Andacht zur Adventszeit

Der Evangelist Lukas hat uns – zwischen der Geschichte vom Barmherzigen Samariter und dem Vater unser eine kleine Episode von Jesus überliefert, die recht unscheinbar daherkommt: Jesus tut keine Wunder, er sagt nicht viel. Ich hatte ihr seither wenig Beachtung geschenkt – doch zu Beginn dieses Advents schien diese Erzählung irgendwie aufzuleuchten und zu mir zu sprechen. 

Um die beiden Schwestern Maria und Marta geht es da, die in ihrem Haus einen lange ersehnten und hoch geschätzten Gast beherbergen dürfen: Jesus. Ich stelle mir vor, wie Maria sich die Schürze abbindet, sich nochmal ordnend durchs Haar fährt, ihren Schleier darüber zurechtzupft. Dann geht sie zu Jesus, setzt sich zu seinen Füßen, wie das die Schüler eines Rabbis so zu tun pflegen. Sie will jede Sekunde auskosten, die Jesus unter ihrem Dach ist – seine Gesellschaft genießen, jedem Wort, das er spricht, aufmerksam zuhören, sich ganz auf ihn konzentrieren. 

Bild: Pixabay

Unterdessen in der Küche – dort schuftet Marta. Sie schwitzt, bis zu den Ellenbogen hängt sie im Brotteig und knetet mit aller Kraft. Über dem Feuer hängt ein Gemüsetopf – sogar mit Fleisch, das teuer ist und es nur selten gibt. Die frischen Kräuter und kostbaren Gewürze duften durchs ganze Haus. Es ist noch so viel zu tun, die Stube muss gefegt und der Tisch gedeckt werden – und Wein sollte auch noch jemand holen beim Händler. Das Festmahl für den geschätzten Gast soll schließlich perfekt werden. Aber soll sie denn alles allein machen? Ärgerlich ruft sie nach Maria, doch die lässt sich nicht blicken. „Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt alleine dienen? Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll“, wendet sie sich schließlich an Jesus. 

Und dieser reagiert anders, als sie erwartet: „Marta, Marta, Du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“ 

Aus zwei Teilen besteht also unser Leben. Einer davon ist „Sorge und Mühe“: Arbeit, Planung, Anstrengung, Leistung, Termindruck – und gerade dieser Teil nimmt gerade in der Adventzeit enorm zu. Mein Alltag ist bestimmt von To-do-Listen und Einkaufszetteln, Plätzchen backen, Weihnachtsbaum aufstellen, Festmenü vorbereiten. Daher kann ich gut nachempfinden, wie es Marta geht. 

„Der bessere Teil“, den Maria für sich gewählt hat, ist die Zeit der Fokussierung, der Ruhe und der inneren Einkehr. Auch ich sehne mich nach Zeit für mich selbst und für Gott. Wie kann ich mich zu Füßen Jesu setzen, wie Maria das tat? Wie kann ich mein Inneres bereitmachen, einen Platz in meinem Herzen freiräumen, damit Gott dort ankommen kann?

Auch in einem anstrengenden Alltag kann sich jede und jeder ein kleines bisschen Zeit dafür nehmen. Ich habe mir vorgenommen, am frühen Morgen ein paar Minuten lang eine Kerze anzuzünden und Zwiesprache mit Gott zu halten.  In der Vorweihnachtswoche werde ich – gemeinsam mit anderen – die Laudes singen und beten, ein frühmorgendliches Gotteslob. 

Das Wort „Advent“ bedeutet „Ankunft“ – die Ankunft von Gott in unserer Welt. Die Ankunft von Licht und Liebe in der Dunkelheit und Kälte unserer Zeit. Ich möchte Gelegenheit finden, um Raum für diese Ankunft zu schaffen. Ansonsten laufe ich Gefahr, das Wunderbare, das der Advent für mich bereithält, zu verpassen.

Bild: Pixabay

Wir sind in dieser Adventszeit eingeladen, weniger zu tun und mehr zu sein. Weniger zu hasten und mehr innezuhalten. Weniger zu reden und mehr zu lauschen. Auch in der Begegnung mit unseren Liebsten. Die Qualität des Weihnachtsfests wird in der Erinnerung nicht davon bestimmt, wie perfekt der Braten war oder wieviel Sorten Plätzchen auf dem Tisch standen. Sondern davon, wieviel Freude man in der Gesellschaft der anderen verspürte. Welch gute Gespräche man führte, wie man miteinander lachte, sang und die Gemeinschaft genoss. Wie schön es war, als die Kinder noch klein waren und die Eltern noch lebten.  

Der Evangelist Lukas hat mich daran erinnert, dass ich in der Vorweihnachtszeit meine Prioritäten immer wieder überprüfen sollte, so dass der „Maria-Teil“ zu seinem Recht kommt und der „Marta-Teil“ nicht überhandnimmt. 

Ich diesem Sinne einen ausgewogenen Advent voller Vorfreude

wünscht Ihnen Dorothee Leister,
Prädikantin aus Michelbach